Die linguistische und die didaktische Grammatik

«Die linguistische und die didaktische Grammatik. Eine Studie für den Fremdsprachenunterricht»

Inhaltsverzeichnis

  • Einleitung
  1. Die Grammatik
  • 1.1       Linguistische Grammatik
  • 1.2       Didaktische Grammatik
  • 1.3       Die Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik
  1. Anwendungsmöglichkeiten
  • 2.1.      Das grammatische Phänomen in der linguistischen Grammatik
  • 2.2.      Das grammatische Phänomen im Lehrwerk «em»
  1. Vergleich – Kommentar der Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik
  2. Zusammenfassung
  3. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

In dieser ersten Hausarbeit in „Grammatik und ihre Vermittlung im Fremdsprachenunterricht“ wird der als erstes der Versuch unternommen werden, den Begriff «Grammatik» zu definieren. Darüber hinaus wird versucht werden, einerseits die Relation, andererseits die Unterschiede zwischen der linguistischen und der didaktischen Grammatik aufzuzeigen. Anhand des grammatischen Phänomens des Passivs werden Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der beiden Grammatiken durch seine Darstellung in einem Lehrbuch und in einem Grammatikbuch dargestellt. Dieses grammatische Phänomen wird im Rahmen dieser Arbeit „linguistisch“ und „didaktisch“ analysiert. Abschließend werden Gedanken zur Gewichtigkeit der Grammatik im Fremdsprachunterricht niedergelegt.

 

  1. Die Grammatik

Wenn man sich die Frage stellen würde, „was ist Grammatik?“ könnte die einfache Antwort gegeben werden, einfach in einem Lexikon nachzuschlagen. Also kann man im «DUDEN – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache» (1999, S.1566) nachschlagen: „Gram׀ma׀tik, die; -, -en [lat. (ars)grammatica griech. <grammatiké (téchne), zu: grammatikós = die Buchstaben, die Schrift betreffend]: 1. Teil der Sprachwissenschaft, der sich mit den sprachlichen Formen u. deren Funktion im Satz,, mit den Gesetzmäßigkeiten, dem Bau einer Sprache beschäftigt; Sprachlehre (gegliedert in Phonetik, Morphologie u. bes. in Syntax): die historische, deskriptive, traditionelle, generative G. …“. Es ist also, auch durch die Länge der gegebenen Definition, ersichtlich, dass Grammatik viel mehr ist, als man sich eigentlich vorstellt. Die Autoren Funk und Koenig (2003:12) beziehen sich auf die Helbigsche Grammatikaufteilung in Grammatik A, Grammatik B und Grammatik C und definieren Grammatik wie folgt: Grammatik A ist „das komplette Regelsystem einer Sprache, unabhängig von dessen Benennung oder Beschreibung durch die Sprachwissenschaft“. Grammatik B ist „die sprachwissenschaftliche Beschreibung des Regelsystems, sein Abbild durch die Sprachwissenschaft“, während Grammatik C „das Regelsystem, das sich Sprachlerner im Sprachunterricht systematisch aneignen, oder ohne Sprachunterricht unsystematisch erwerben“ ist, was als „Grammatik im Kopf“ interpretiert wird. Wenn man diese Analyse mit der Definition des DUDEN kombiniert, dass Grammatik die Sprachlehre ist, gegliedert in Phonetik, Morphologie und besonders in Syntax, kann man die Behauptung aufstellen, dass es notwendig ist, von der Grammatik B ausgehend, im Rahmen der Linguistik von einer «linguistischen Grammatik» zu sprechen, ebenso wie man dann im Rahmen der pädagogischen Wissenschaft von einer «didaktischen Grammatik» sprechen muss.[1] Diese werden als Grammatik B1 für die linguistische Grammatik, und Grammatik B2 für die didaktische Grammatik aus Grammatik B geleitet.

 

1.1 Linguistische Grammatik

Den Definitionen von Tsokoglou (2002:21ff) zufolge, ist die linguistische Grammatik ein indirektes Lehrmaterial, welches nur als Grundlage für den Fremdsprachenunterricht dient. Sie folgt systeminternen linguistischen Prinzipien, was bedeutet, dass sie auf eine Sprach- bzw. Grammatiktheorie angewiesen ist und mit Hilfe linguistischer Terminologie beschrieben wird. Ferner dient sie zur Vermittlung und Festigung grammatischer Kenntnisse, ist vollständig und erfasst die Totalität der grammatischen Phänomene, wobei Ausnahmen sehr wichtig sind. Charakteristisch für die linguistische Grammatik ist die Abstraktheit der Beschreibung und der Darstellung, sowie die Kürze der Darstellung. Sie nimmt keine lernpsychologischen Vorgaben und Rücksichten in Kauf. Funk und Koenig (2003:13) definieren die linguistische Grammatik als „die Beschreibung des Regelsystems zu sprachwissenschaftlichen Zwecken“.

Hierbei kann parallel auch die Frage gestellt werden, wer der Nutzer einer linguistischen Grammatik ist. Sicherlich Linguisten, im Rahmen ihrer Wissenschaft, Studenten der Linguistik während ihres Studiums, Lehrer, damit sie auf dem neusten Stand bleiben und somit auch Lehrbücher beurteilen können und Übersetzer, da sie wegen ihrer Tätigkeit konkrete Verhältnisse der Sprache einsehen und begreifen können, so dass ihre Arbeit effektiv ist.

 

1.2 Didaktische Grammatik

Die didaktische Grammatik stellt – nach Tsokoglou (2002:21ff) –  ein direktes Lehrmaterial dar, was bedeutet, dass sie direkt im Unterricht eingesetzt wird. Sie folgt bestimmten didaktisch-methodischen Prinzipien. Beispielsweise ist sie nach Lektionen gegliedert, folgt dem Prinzip einer schrittweisen Progression vom Einfachen zum Schwierigen und wird durch technische und andere Hilfsmittel gestützt. Angereichert mit vielen Übungen zielt sie unter anderem auf die Entwicklung von sprachlichen Fertigkeiten und stellt eine Auswahl von grammatischen Phänomenen dar. Charakteristisch für die didaktische Grammatik ist die Konkretheit und die Anschaulichkeit der Beschreibung und der Darstellung. Insbesondere die Ausführlichkeit der Darstellung ist eines der als wichtig erkannten Elemente. Ferner berücksichtigt die didaktische Grammatik lernpsychologische Kategorien wie Verstehbarkeit, Behaltbarkeit und Anwendbarkeit. Funk und Koenig (2003:13) vereinfachen die Definition der didaktischen Grammatik als „die Beschreibung des Regelsystems für Unterrichtszwecke“ und gebrauchen den Begriff «pädagogische Grammatik». An dieser Stelle sei niedergelegt, dass Mindt (in Gnutzmann/Königs 1995:47ff) die pädagogische Grammatik aus der didaktischen Grammatik leitet. Nach Tsokoglou (2002:24) „wird die didaktische Grammatik … vielmehr von speziellen psychologischen, didaktischen und methodischen Faktoren des Spracherlernungsprozesses determiniert, also von einer Verflechtung meist außerlinguistischer Faktoren“.

Aus den oben dargelegten Definitionen einer didaktischen Grammatik lässt sich schließen, dass die „Nutznießer“ einer solchen Grammatik Lehrer, Schüler – sowohl im Muttersprachen- als auch im Fremdsprachenunterricht – und Selbstlernende sein können.

 

  1. Die Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik

Von der Grammatik B ausgehend, lassen sich, wie wir bereits gesehen haben, die linguistische Grammatik (B1) und die didaktische Grammatik (B2) ableiten. Mindt (in Gnutzmann/Königs 1995:47) stellt fest: „Linguistische Grammatiken sind keine geeignete Grundlage für den Fremdsprachenunterricht“. Dem kann nur beigepflichtet werden, denn es ist wahrlich unmöglich, im Unterricht eine Grammatik einzusetzen, die von ihrer Natur aus, pädagogisch-didaktische Aspekte nicht berücksichtigt. Also muss davon ausgegangen werden, dass es Kriterien gibt, die dabei helfen, eine linguistische Grammatik in eine didaktische umzuformen. Diese Kriterien wurden von Helbig festgelegt und können wie folgt zusammengefasst werden: I. Das Lehrziel der jeweiligen Unterrichtseinheit, unter Berücksichtigung der Fertigkeiten des mündlichen oder schriftlichen Ausdrucks, des Hörverstehens, des Leseverstehens. II. Psychologische Faktoren wie z.B. das Alter, also Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. III. Die Lerntheorie. IV. Die Unterrichtsstufe (Anfänger- oder Fortgeschrittenenunterricht). V. Die Unterrichtsform, also ob es sich um Einzel- oder Gruppenunterricht handelt, Frontalunterricht oder Unterricht in der Runde, etc. VI. Technische Unterrichtshilfsmittel VII. weitere linguistische Faktoren, wie z.B. die Häufigkeit bestimmter sprachlicher Erscheinungen[2]. Auf die Frage, ob solch eine Umformung überhaupt nötig sei, ist zu antworten, dass es allgemein unakzeptabel ist, eine linguistische Grammatik, wie z.B. den DUDEN (Band 4) für Unterrichtszwecke zu benutzen, geschweige denn für den Fremdsprachenunterricht. Diese Grammatik ist nicht einmal für den Muttersprachenunterricht des Deutschen geeignet, da vom Bibliographischen Institut eigens dafür die Reihe «Schüler-DUDEN» herausgegeben wurde.

 

2.1. Anwendungsmöglichkeiten

Die Anwendungsmöglichkeiten sowohl der linguistischen als auch der didaktischen Grammatik sind sehr breit gefächert, doch ihre Anwendungsgebiete sind sehr verschieden. Wie bereits erörtert wurde, richten sich die beiden Grammatiken an ganz verschiedene Nutzer. Da es im Rahmen dieser Hausarbeit nicht möglich erscheint, detailliert auf die Anwendungsmöglichkeiten einzugehen, sollte doch der Versuch unternommen werden, einige wichtige Punkte hervorzuheben. Die linguistische Grammatik dient zu sprachwissenschaftlichen Zwecken, wie bereits festgestellt, während die didaktische Grammatik sich für Unterrichtszwecke eignet.

Es sei an dieser Stelle erlaubt, diese Aussage an einem Beispiel zu erläutern. Der junge Student der Linguistik oder der Germanistik hat sich während seines Studiums mit einer linguistischen Grammatik auseinander zusetzen, der junge Medizinstudent aus Griechenland, der vorhat, später ein Aufbaustudium in Deutschland zu machen, braucht die didaktische Grammatik, welche ihm bei seinem Lernprozess behilflich sein kann. Und im Deutschlehrer, der bereits Germanistikstudent gewesen ist, und nun dem jungen Medizinstudenten Deutsch lehrt, treffen die beiden Grammatiken auf die gleiche Bezugsperson, da er als Lehrer die linguistische Grammatik benötigt, um einerseits Erlerntes nicht zu vergessen, und andererseits fähig und in der Lage zu sein, Lehrwerke zu beurteilen und zu kritisieren, so dass er das „Beste“ auswählt, um die von ihm gesetzten Lehrziele bestmöglichst zu erreichen. Die didaktische Grammatik dagegen ermöglicht es ihm das Erlernte an seine Schüler weiterzugeben. Sie ist für ihn ein Mittel zum Zweck. Ein anderer wichtiger Aspekt einer didaktischen Grammatik, welchen allerdings viele Lehrer abstreiten, ist dass man sich als Lehrer mit Hilfe einer didaktischen Grammatik sehr leicht auf den Unterricht vorbereiten kann. Es sei bezweifelt, dass jeder Deutschlehrer, der Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, den DUDEN Band 4 ständig mit sich trägt.

 

2.1. Das grammatische Phänomen des Passivs in der linguistischen Grammatik

Das grammatische Phänomen, welches wir zu analysieren versuchen ist das Passiv. Als linguistische Grammatik haben wir die Grammatik des DUDEN ausgesucht, auch wegen des Grundes, dass der Beschluss der Kultusministerkonferenz der BRD vorliegt, nach dem der DUDEN in allen Zweifelsfällen der deutschen Sprache maßgebend ist.

Ein neunhundertzwölf Seiten großes Werk nach dem Passiv durchzublättern, erscheint als naiv. Also ist es ratsam das Register aufzuschlagen, und man ist überrascht zu sehen, dass unter dem Eintrag «Passiv» mehrere Einträge und Zahlen eingetragen sind:

Passiv 208; 307; 310f. · Adressaten- 317 · Agensangabe 314f. · Ersatzinfinitiv 331, Anm. · in Aufforderungssätzen 316 · Konkurrenzformen 187;317 · sein-(Konjugationsmuster) 210 · Vorgangs- 308;(Konjugationsmuster) 209 · werden-(Konjugationsmuster) 209 · Zustands- 318; (Konjugationsmuster) 210 Passivfähigkeit 316 ; 321 – Passivprobe 1120

Hat man eine Auflistung nach dem Vorbild bekannter Schulgrammatiken erwartet, ist man sicherlich enttäuscht. Die erste Zahl die auftaucht ist die 208. Laien würden die Seite 208 aufschlagen, wo sie lediglich etwas über Substantive lesen könnten, doch beziehen sich die Nummern im Register des DUDEN nicht auf Seitenzahlen, sondern auf die Randziffern des Buches. Was auffällt sind die unterschiedlichen Zahlen, woraus man schließen kann, dass man sich intensiv mit der DUDEN-Grammatik beschäftigen muss, da man – selbst im Text – von Zahl zu Zahl verwiesen wird, obwohl letzt endlich das Passiv als einheitliches grammatisches Phänomen mit einer gewissen Progression dargestellt ist.

Charakteristisch dafür, dass der DUDEN eine rein linguistische Grammatik ist, lässt sich an einem kleinen Beispiel veranschaulichen: Auf den Seiten 172/173[3] geht der DUDEN auf das «Genus Verbi: Aktiv und Passiv» ein. Schon in der Einführung, werden Details hervorgehoben (1998:173):

„…Danach hat das Aktiv seinen Namen von jenen Sätzen, in denen das Subjekt „tätig“ ist: «Die Reiterin schlägt das Pferd. Der Hund bellt». Aktivisch sind aber auch folgende Sätze: «Er wohnt auf dem Lande. Der Kranke leidet. Sie bekommt keine Post. Die Blumen blühen.» deren Subjekt kaum als „tätig zu bezeichnen ist. Unter dem Aktiv ist also eine Sehweise zu verstehen, die von der Bedeutung des Verbs unabhängig ist.“

Diesem Eintrag zufolge ist der Schluss zu ziehen, dass gleich am Anfang des grammatischen Phänomens sehr großer Wert auf das Detail gelegt wird, was eine linguistische Grammatik charakterisiert. Ferner sind alle Tabellen enthalten, sowohl die der Konjugation, als auch der Umformungen. Nicht zu übersehen sind auch die reichlichen Fußnoten und die ausführlichen Quellenangaben.

Ein weiteres Charakteristikum der linguistischen Grammatik ist, dass Ausnahmen sehr wichtig sind. Im DUDEN wird auf Seite 185[4] ausführlich auf die Unterschiede gegenüber anderen ähnlichen grammatischen Konstruktionen eingegangen: Es wird dem Leser durch die Zurückführung bewiesen, dass z.B. der Satz „Die Tür ist geöffnet“ Zustandspassiv ist, während der Satz „Der Junge ist begabt“ keine Passivform darstellt, sondern ein prädikatives Adjektiv ist, und der Satz „Das Mädchen ist verliebt“ als „Zustandsreflexiv“ charakterisiert wird.

Schließlich sei erlaubt darzulegen, dass in der Grammatik des DUDEN keinerlei Übungen existieren, was mitunter auch ein Merkmal der linguistischen Grammatik ist.

 

2.2. Das grammatische Phänomen des Passivs im Lehrwerk «em»                     

Das Lehrwerk, welches im Rahmen dieser Arbeit auserwählt wurde, ist «em» Hauptkurs vom Hueber Verlag. Dieses Lehrwerk ist für den Fortgeschrittenenunterricht DaF konzipiert worden und führt zur Zentralen Mittelstufenprüfung des Goethe-Instituts. Es ist modern und kommunikativ aufgebaut, da es sich an Lerner mit guten Vorkenntnissen richtet. Obwohl es kommunikativ ausgerichtet ist, trainiert es systematisch die vier Fertigkeiten Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen. Das Lehrwerk setzt großen Wert auf die gesprochene Sprache im deutschsprachigen Raum, so dass bei den Hörtexten auch Dialektdeutsch zu hören ist. Somit gewöhnt sich der Lerner nicht an ein „steriles“ Hochdeutsch, sondern erfährt, – auch im Rahmen landeskundlicher Informationen – dass gesprochenes Deutsch sehr vielfältig sein kann. «em» wird ergänzt durch ein Arbeitsbuch, in dem sich viele vertiefende Übungen befinden. Da dieses Lehrwerk Mitte der 90er Jahre konzipiert wurde, sind die Autoren auch im Arbeitsbuch von den sogenannten Drillübungen abgekommen. Somit wurde erreicht, dass Lehrende und Lernende sehr gern damit arbeiten.

In diesem Lehrbuch wird das Passiv im letzten Kapitel wiederholt und gefestigt. Es ist vorauszusetzen, dass die Lernenden bereits in der Grundstufe mit dem grammatischen Phänomen des Passivs in Kontakt gekommen sind. Im 8. und letzten Kapitel des Buches wird auf das Thema „Auto“ eingegangen[5]. Auf Seite 146 ist ein Text abgebildet, der dem ADAC Magazin 2/96 entnommen ist, mit dem Titel „Über den Schatten gesprungen“[6]. Anhand dieses Textes wird das grammatische Phänomen des Passivs wiederholt. Auf der folgenden Seite des Buches wird in den ersten vier Übungen auf den Text eingegangen, um das Textverständnis zu prüfen. Erst die fünfte Aufgabe fordert die Lerner auf, die Passivstellen im Text zu markieren, wobei dem Lehrenden der Freiraum gelassen wird, zu entscheiden, in welcher Arbeitsform er seine Klasse arbeiten lässt, z.B. Partner- oder Gruppenarbeit. Die darauf folgende Übung im Kastenraster erleichtert es den Schülern sehr, die geforderten Passivsätze aus dem Text herauszufiltern, was sehr wichtig für das Selbstbewusstseinsgefühl der Schüler ist, denn es ist anzunehmen, dass sich nicht alle Schüler auf die nächste Lektion vorbereiten, so dass sich bei vielen Schülern ein Gefühl der Verunsicherung bemerken lässt, was dazu führt, dass sie sich vom Unterrichtsgeschehen fernhalten. Diese beiden Beispiele zeigen sehr deutlich, dass die Grammatik hier didaktisiert wurde. Auf den nächsten zwei Seiten[7] werden die Schüler, anhand von sechs verschiedenen Übungen, ihren Wortschatz betreffs des Themas «Fortbewegung» anreichern können. Keine Spur von Passiv ist hier vorzufinden, was völlig richtig ist, da man seine Schüler sonst überfordern könnte. Auf den Seiten 150/151 findet man einen Text vor, mit dem Titel „Autonavigation mit Kurs auf den Massenmarkt“[8], der von der Presseagentur „Reuters“ stammt. Auch hier verfahren die Lehrbuchautoren, wie mit dem ersten Text dieses Kapitels, d.h. zuerst Fragen zum Textverständnis und dann erst erschient eine Tabelle mit den Ersatzformen oder Alternativformen des Passivs, und zwar nicht als ein theoretischer Kasten, sondern als Übungsansatz, denn Aufgabe der Schüler ist es mitunter die Tabelle zu ergänzen, ein weiteres Merkmal der didaktischen Grammatik.

Am Ende des Kapitels ist die Grammatik der Lektion tabellarisch dargestellt[9]. Diese Darstellung jedoch, in einer hellvioletten Farbe, ist nicht ablehnend, sondern eher einladend, zum Nachschlagen, ja sogar zum Nachlesen. Die Inhalte sind kurz und bündig und die Beispiele anschaulich dargestellt. So erkennt jeder Schüler, dass sein Lehrbuch ihm ein hilfreiches Werkzeug am Ende jedes Kapitels zur Verfügung stellt.

 

  1. Vergleich – Kommentar der Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik           

Die linguistische und die didaktische Grammatik sind direkt nicht zu vergleichen, aus dem einfachen Grunde, dass sie sich an ganz verschiedene Gruppen von Interessenten wenden. Die Aufgabe der linguistischen Grammatik ist es, ihre Nutzer tief in die Sprache einzuweihen, das kleinste Detail zu erleuchten, alle nur denkbar möglichen Ausnahmen niederzuschreiben, um somit die Grammatik der Sprache in einer konkreten gesellschaftlichen und zeitlichen Periode festzuhalten. Dies beispielsweise ist mitunter eine der wichtigsten Aufgaben des DUDEN. Die didaktische Grammatik hingegen, ist das „Werkzeug“, das Lehrende und Lerner benötigen, jeder aus seinem eigenen Standpunkt aus betrachtet, um mit Hilfe der didaktischen Grammatik B2, zur Grammatik „im Kopf“, also der Grammatik C zu gelangen.

Die Notwendigkeit einer Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik ist unbezweifelbar. Die von Helbig festgelegten Kriterien der Umformung, wie sie bereits auf den Seiten fünf und sechs dieser Arbeit unter dem Titel „Die Umformung der linguistischen in eine didaktische Grammatik“ aufgelistet wurden, erscheinen als ein Meilenstein in der Grammatikforschung. Vorerst ist es besonders wichtig, die Lernenden nach Altergruppen zu trennen. Es sollte Allgemeingut unter den Lehrenden sein, dass man beispielsweise Erwachsene auf eine völlig andere Art und Weise unterrichtet als Kinder. Jugendliche hingegen müssen nach anderen Konzepten unterrichtet werden. Also finden schon an diesem kleinen Beispiel mehrere Helbigsche Kriterien Anwendung: das Kriterium des psychologischen Faktors Alter, das Kriterium des Lehrziels, denn die Lehrziele differenzieren sich je nach Alter, Fortschritt und Niveau der Lerner. Bedeutende Rolle spielt ebenfalls die Lerntheorie, denn Kinder in den ersten Grundschulklassen unterrichtet man beispielsweise nach dem Motto „Lernen durch Spielen, Singen und Mitmachen“, was bei den Jugendlichen nicht so leicht angewandt werden kann. Da muss der Lehrer mehr Flexibilität in seinen Unterricht einbauen, und auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen, wie z.B. moderne Alltagssprache von heute im Land, dessen Sprache man lehrt. Anders wiederum ist es mit den Erwachsenen. Heutzutage wollen Erwachsene eine Fremdsprache so schnell wie möglich lernen, da mit der Fremdsprache bestimmte Ziele verbunden sind, wie z.B. Studium im Ausland, Geschäftskontakte, usw. Dies bedeutet, dass auch das Helbigsche Kriterium der Unterrichtsstufe und das der Unterrichtsform Anwendung findet. Erwachsenenunterricht als Anfänger- oder Fortgeschrittenen-, Einzel- oder Gruppenunterricht. Der Gruppenunterricht ist wiederum zu unterscheiden zwischen Frontalunterricht oder Unterricht „in der Runde“. In allen Fällen ist es heute unvorstellbar ohne technische Hilfsmittel, wie OHP, CD-Spieler, Diaprojektor oder TV- und Videogerät zu unterrichten. Somit lässt sich beispielsweise Grammatik visualisieren, was zu einem größeren Verständnis- und somit Lernerfolg führen kann.

Doch der wichtigste Faktor, trotz der Didaktisierung der Grammatik war, ist und bleibt der Lehrende. Er ist die Schlüsselfigur, denn er ist derjenige, der seine Schüler nicht nur motivieren, sondern auch inspirieren muss, wenn er seine Lehrziele erreichen will. Keine Theorie und keine Didaktisierung kommen an dem Lehrer vorbei, denn er ist es ja schließlich, der all das in die Tat umsetzen muss. Dass er ebenfalls eine Vorbildfunktion haben kann, steht außer Zweifel. Er müsste die treibende Kraft seines Unterrichts sein und vor allem einen Geist und eine Einstellung für Änderungen und Innovationen haben. Denn nicht die beste Unterrichtspraxis kann Erfolg haben, wenn der Lehrer sie nicht akzeptieren und in die Tat umsetzen kann.

 

  1. Zusammenfassung

Geschichtlich betrachtet war einst der Fremdsprachenunterricht nichts anderes als Grammatikunterricht. Alles begann und endete mit der Grammatik. Heutzutage darf, aus der Sicht der Lehrenden betrachtet, niemals außer Acht gelassen werden, dass Fremdsprachenunterricht doch nicht Grammatikunterricht ist. Der Grammatikunterricht ist lediglich Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts. Und Ziel des Fremdsprachenunterrichts wiederum ist es, Menschen zu befähigen, in einer fremden Sprache zu kommunizieren. Um zu diesem Resultat zu kommen, bedurfte es einer Reihe von Entwicklungen in der Sprachwissenschaft, hauptsächlich während des 20. Jahrhunderts. Neue Erkenntnisse in der Linguistik, aber auch große Einflüsse von der Pädagogik ließen die Entwicklung von der Grammatik-Übersetzungs-Methode über die direkte Methode zur audiolingualen und audiovisuellen Methode, und von dieser aus zur kommunikativ-pragmatisch orientierten Methode zu.

 In einer Welt, die ständig zusammenwächst, ist Kommunikation in vielen fremden Sprachen sehr wichtig. Nicht nur für den Handel, sondern weil auch inzwischen Grenzen nicht mehr den Sinn von einst haben, wie man heute in Europa sehen kann. Der Rhein beispielsweise trennt nicht mehr Deutsche und Franzosen, er verbindet sie. Und ein Faktum ist, das sehr leicht in Vergessenheit gerät, dass das Latein, eine stark auf die Grammatik basierende Sprache, welches Jahrhunderte lang in den westlichen Provinzen Roms gesprochen wurde, heute nicht mehr als Sprache existiert. Englisch dagegen, eine mit dem Lateinischen verglichen, eher grammatisch arme Sprache, dominiert heute die Welt. Und dies nicht nur wegen der historisch-politischen Dominanz Englands im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, sondern auch, weil die Sprache als sehr „einfach“ einzustufen ist. Die Abwesenheit von Artikeln und einfache grammatische Strukturen scheinen das Erfolgsprinzip des Englischen zu sein. Denn es ist ein Faktum, dass man sich heute auf allen fünf Kontinenten sehr wohl mit der englischen Sprache verständigen kann. Zuletzt sei die Bemerkung erlaubt, dass gerade das Englische sich aus der deutschen Sprache herausgebildet hat.

[1] Vgl. Tsokoglou (2002:20f) und Funk/Koenig (2003:12f)

[2] Vgl. Tsokoglou (2002:24)

[3] Vgl. Anhang S I

[4] Vgl. Anhang S II

[5] Vgl. Anhang S. III

[6] Vgl. Anhang S. IV

[7] Vgl. Anhang S. V

[8] Vgl. Anhang S. VI

[9] Vgl. Anhang S. VII

Literaturverzeichnis

DUDEN Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, (1999):Band 4 Mannheim: Dudenverlag

DUDEN Die Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, (1998): 6. neu bearbeitete Auflage, Mannheim: Bibliographisches Institut

Funk Herrmann, Koenig Michael, (2003): Grammatik lehren und lernen, Berlin: Langenscheid

Gnutzmann Claus, Königs Frank, (1995): Perspektiven des Grammatikunterrichts,             Tübingen: Gunter Narr Verlag

Perlmann-Balme Michaela, Schwalb Susanne, (1997): em Hauptkurs – Deutsch als Fremdsprache für die Mittelstufe. Ismaning: Max Hueber Verlag

Tsokoglou Angeliki, (2002): Grammatik und ihre Vermittlung im Fremdsprachen-unterricht. Band A. Patra: EAP

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